Text Lebenslauf

GABRIEL ADEY
Rede zur Ausstellungseröffnung LEBENSLAUF
IM PHOTO.KUNST.RAUM. HAMBURG, 04.10.202

Ein grafisches Band verläuft an vier Wänden des Ausstellungsraums. Es handelt sich um die Rauminstallation LEBENSLAUF von Gabriele Adey, die im November 2017 im Photo.Kunst.Raum. Hamburg gezeigt wurde. 65 einzelne schwarz-weiße Computergrafiken, jeweils im Din A4 Format gerahmt, sind die Elemente für diese Wandarbeit von 20 Metern Länge. Die grafischen Muster, zwar durch die Rahmen regelmäßig strukturiert, scheinen durch ihre Abfolge auf- und abzuschwellen, weiter und dichter zu werden, ineinander zu fließen und sich im Charakter ständig zu verändern. Sie ergeben, so die Künstlerin, eine Art Lebenspartitur ohne zu konkret-bildhaft zu werden: von der Geburt, über die Jugend und Studienzeit zu den klareren Strukturen während den Berufsjahren als Kunstlehrerin, dann aber ein starker Bruch mit dem Austritt aus dem Schuldienst und die Ungewissheiten der letzten Jahre in freier Kunsttätigkeit. Die Frage kommt auf: Ist das Leben ein ständig wiederholender Kreislauf oder ein Laufen in eine ungewisse Zukunft?

Das Lebensband betont durch seine Linearität und Strenge den White-Cube Charakter des Ausstellungsraumes – besonders den des Innenraums. Die drei runden Spiegel (beidseitiges Acryl-Spiegelglas) kontrastieren deutlich in diesem Raumgefüge. Dem Betrachter eröffnen sie neue Blickwinkel und Standpunkte. Die Geometrie des Grafikbandes wird optisch gebrochen und zu neuen Abfolgen zusammengefügt. Die Spiegel verlocken aber auch zur Selbstbespiegelung und machen die Betrachter zu einem weiteren Element der Installation: Es entstehen Blickachsen bzw. Blickkontakte und ein spielerisches Kombinationsspiel beginnt. Dieses Lebensband, zunächst nur als ein Schmuckband gesehen, bietet nun den Rahmen eines komplexeren Sozialgefüges, es entsteht ein Gefühl der Gemeinsamkeit und optische Verbundenheit mit der Arbeit. Die Künstlerin bedankt sich am Eröffnungsabend sogar bei den zahlreichen Ausstellungsbesuchern und meint dass durch sie erst eine soziale Komponente in ihre Lebenslauf-Installation entsteht.

Mit dem Film LEBENSRAUM wird innerhalb der Arbeit eine weitere Komponente hinzugefügt. Es handelt sich um einen 7 Minuten langen Videofilm, eigentlich nur aus 45 bearbeiteten Einzelfotos bestehend, und mit einem monotonen Elektronikklang (Ton: Milo Lohse) unterlegt. Im Vergleich zur Installation zeigt dieser Film das Thema in einer expressiv-düsteren Weise: eine Reise ins Schattenreich innerer und äußerer Welten: durch Stadträume und Naturlandschaften, in einer Art Oberwelt und Unterwelt, durch Licht und Schatten. Die einzelnen Fotos entstammen unterschiedlichen Lebensabschnitten und wurden stark digital bearbeitet: alle in Schwarz-Weiß, oft ins Negative gekehrt, dazu unscharf und düster. Assoziationen mit Tag- und Nachtträumen werden dadurch bildbestimmend. Man könnte diesen LEBENSLAUF auch als Albtraum empfinden. Die elektronisch erzeugte Hintergrundmusik, durch ein Metronom strukturiert, verstärkt den Eindruck dass hier ein Pulsschlag den Lebenstraum untermalt.

Gabriele Adey, Hamburg, 04.10.2021