Text Bauwerke

GABRIELE ADEY
EINE KLEINE BAUGESCHICHTE

Text aus Katalog BAUWERKE
CARMEN OBERST EDITION ART LEXIKON 12

Ein grafisches Band verläuft an vier Wänden des Ausstellungsraums. Es handelt sich um die

In Gabrieles kleiner Baugeschichte lebt der prähistorische Mensch in Höhlen und richtet als Zeichen Steine auf – eine erste künstlerische Äußerung. Nomaden ziehen mit Zelten umher, Sesshafte bauen einfache Häuser aus Holz, Lehm oder Stein. Tote legt man in Erd- oder Steingräber.
Durch Wohlstand und Macht entstehen neue Dimensionen, Ort und Zeit bestimmen Bauformen und -strukturen, aus Behausungen werden Gebäude. Der Mensch gestaltet nunmehr seine Umwelt – Geometrie ist das Maß aller Dinge, dabei treten Quadrat und Kreis in Widerstreit. Der Kubus erweist sich als stabiler, die Kugel als eleganter.
Die alten Römer bauen als Erste den Steinbogen und entwickeln Kuppeln. Im mittelalterlichen Nordeuropa errichtet man, zu Ehren Gottes, hohe Dome mit funkelnden Fenstern – so hoch bis die ersten wieder einstürzen. Der Renaissance- und Barockmensch plant: baut in die Breite und Tiefe, gestaltet ganze Stadtteile mit herrlichen Anlagen aus Gebäuden, Plätzen und Straßen. Kulturlandschaften entstehen – geschaffen durch die imperiale Macht der Fürsten und Könige. Doch auch diese Machtverhältnisse beginnen zu bröckeln – neue Strukturen bestimmen Leben und Lebensformen. Stahlbau revolutioniert die Architektur.
Man baut wieder in die Höhe, fast bis in den Himmel – aber auch in die Tiefe. Oft setzt man den Gebäuderiesen verzierte Dachkappen auf – Touristen bestaunen die Welt von oben! Städte breiten sich aus, man versiegelt die Natur, Land wird knapper. In der globalisierten Welt vermischen sich die Stile: zwischen gesichtslosen Stadtlandschaften erheben sich nur noch selten spektakuläre Prestigebauten – Ökonomie bestimmt die Architektur.
Die Einheitszellen des sozialen Wohnungsbaus erzeugen bei den Bewohnern wieder den Wunsch nach historisch gewachsenen Strukturen, Sehnsucht nach Landleben – oder nach einer Schrebergartenidylle. Leerräume geben Raum für Phantasie und kreative Gestaltung.

Gabriele Adey, Hamburg, 2013