GABRIELE ADEY
Rede zur Ausstellungseröffnung RÄUME–MOMENTE–SPUREN
IM PHOTO.KUNST.RAUM. HAMBURG, 2016

O.k., ich übernehme und möchte noch einige Gedanken zu meiner Arbeit in dieser Ausstellung loswerden – „Tiefgang“ als Kontrast zu den herrlich leichten Arbeiten von Nils Hagelstein und Josh Bender.

Meine Arbeit besteht aus diesen Großfotos und den Unikatfotobüchern, die leider noch nicht ganz perfekt sind (inhaltlich und drucktechnisch). Ich habe mich für den Titel REISE AUGEN BLICKE entschieden, da ich mich sehr eng an das vorgegebene Thema des Photo.Kunst.Raums im Jahr 2015 – nämlich „Reisen“ gehalten habe. Das Phänomen Reisen interessierte mich sehr – aber auch die zwingend dazu gehörige Fotografie.

Reisen – was ist das eigentlich?
In der Frankfurter Rundschau las ich im letzten Sommer einen treffenden Satz zu dem Aspekt „Reisen bzw. Urlaub“ – Zitat: “Urlaub ist und bleibt für den Deutschen die populärste Form des Glücks.“ In der Folge ist Reisen dann eine besondere Art, den eigenen Urlaub zu gestalten: nämlich aus dem Alltag ausbrechen, möglichst weit weg zu reisen, neue Gegenden, fremde Völker und ihre Kulturen kennenzulernen, Authentisches zu erleben und – ganz wichtig – beeindruckenden Landschaften zu begegnen!

Das zu mindestens waren die Kriterien, nach denen ich meine ersten Reisen – in den 1970er Jahren – geplant habe: Weit reisen, individuell reisen und zu den eigenen Sehnsuchtsorten reisen, z.B. zur Insel Santorin, ins antike Rom, nach Brasilien, zum Titicacasee, zu asiatischen Reisfeldern, nach Sansibar oder Moskau. Bei diesen sog. „Persönlichen Studienreisen“ war das Fotografieren mit meiner Kamera natürlich sehr wichtig! „Hatte man ein Foto gemacht, bewies das dass man auch dort gewesen war!“ Zuhause gab es dann die Diavorträge (oder später die Diashows), wo man für die Freunde die Reiseerlebnisse nochmal vorführte – mit möglichst schön in Szene gesetzten Motiven. Damit konnte man den Leuten imponieren, sich ganz schön in Szene setzen!

Mit den Jahren wandelte sich für mich persönlich – aber auch ganz allgemein in der Gesellschaft – diese Art „naiver Reise- bzw. Abenteuerlust“. Die Welt hatte sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert, ist globalisierter geworden.
Die ursprünglichen Sehnsuchtsorte oder Traumziele haben sich in Massentouristenorte verwandelt, historisch gewachsene Orte sind zu gesichtslosen Geschäftszentren bzw. Wohnsilos geworden, ganze Landstriche sind zersiedelt und ökologisch zerstört (von Kriegsgebieten ganz zu schweigen).

Damit wurde es auch schwieriger, seine Reisen mit der Kamera zu dokumentieren bzw. nicht in die Klischee-Falle zu tappen. Nur sog. „große“ Fotokünstler schaffen es noch – mit Intensität und Genialität – von dieser Welt einen angemessenen Ausdruck zu finden, wie z.B. der Fotograf Sebastiao Sagado mit seinen Fotobüchern „ Afrika“, „Genesis“ oder „ Exodus“ u.a.

Bei diesen Fotografien, die alle im Jahr 2015/16 entstanden sind, habe ich versucht, mit anderem Anspruch und anderem Blickwinkel das jeweilige Motiv zu erfassen. Statt meiner geliebten Fernreisen, machte ich nun kürzere Reisen – manchmal nur unweit aus Hamburg heraus – wichtig war, sich aus der Stadt heraus zu bewegen: zu wandern, Skifahren, schwimmen, rastmachen und schauen. Dabei faszinierten mich immer wieder bestimmte Motive: Wiesen, Wälder, Berge, Wasser, Wolken – aber auch Oberflächen, Spiegelungen und Farben. Mein Blick war natürlich durch die Sichtweise der Romantiker des 19. Jahrhunderts beeinflusst, aber auch durch neuere Landschaftsmaler: Landschaft in freier Anschauung, aber auch als Spiegellung des jeweiligen eigenen Gemütszustandes, wie Ruhe, Sehnsucht, Melancholie, vielleicht auch Demut usw. Meist wähnt man sich in einer Idylle – in einer trügerische Idylle – aber trotzdem schön!“

Fern der romantischen Sichtweise sind natürlich auch Spuren von Zivilisation und Umweltschäden in meinen Bildern enthalten, die mehr oder weniger zum Ausdruck kommen.
Fast alle Fotos habe ich mit dem Computer bearbeitet – wie z.B.: die Entscheidung ob Farb- oder Schwarz-Weiß-Fotografie, Verstärkung der Hell-Dunkel-Kontraste oder Konturen, Farbverschiebungen, spezielle Perspektiven u. a.
Die Unikat-Fotobücher bedeuten für mich erst einmal eine Art Ideensammlung mit der Möglichkeit einer ständigen Erweiterung. Dort habe ich auch das Prinzip der Doppelbilder gefunden – um den Betrachter mehr auf das Formale, Ästhetische im Bild zu lenken. Die großen Bilder ähneln auch etwas dem „klassischen Tafelbild“ – weg von der Fotoreportage – hin zu einer Art „Landschaftskonstruktion“, die dann auch zu einem Sinnbild für unsere Sehnsucht werden können: nach „Unberührter Natur“ oder womöglich nach „Heiler Welt“ !

Ich möchte auch nochmal auf meine Ausstellung aus dem Jahr 2005 hier im Photo.Kunst.Raum. zu sprechen kommen. Es war die Ausstellung „Eine Deutschlandreise“ im Zusammenhang mit dem Thema „Fremde Heimat“ – damals hielt Hajo Schiff eine sehr treffende Rede dazu !
Bei der Frage nach „Heimat“ bzw. „Fremder Heimat“ wollte ich als Antwort eigentlich mal ausführlichere Deutschlandreise machen (also hier auch eine Reise!). Doch aufgrund der schieren Unmöglichkeit, sich ein umfassendes Bild von Deutschland zu machen – überhaupt erst mal ganz Deutschland zu bereisen, hatte ich dann – sozusagen als formalen Trick, Städte-Fotos aus dem Internet – sozusagen aus zweiter Hand – genommen, sie durch Schwarz-Weiß und Unschärfe verfremdet und zu einem großen Tableau zusammengestellt: sie standen dann als eine Art Sinnbild für mein Deutschlandbild – meiner fremden Heimat“.

Gabriele Adey, Hamburg, 04.11.2016